Autor

Barnes, Jonathan

Titel

Das Albtraumreich des Edward Moon

Originaltitel

The Somnambulist

Genre

Historischer Krimi

Seiten

400

Erscheinungsjahr

2007

Auszeichnungen

Verfilmungen

Verlag

Piper

Wertung

Inhalt

„Seien Sie gewarnt. Dieses Buch besitzt keinen wie auch immer gearteten literarischen Wert.“ So beginnt der Ich-Erzähler die Geschichte um einen Detektiv und Magier mit Namen Edward Moon, der seine Glanzzeiten bereits hinter sich hat und sich lediglich auf die unerschütterliche Treue seines stummen Freundes, den Schlafwandler, verlassen kann. Trotzdem wird Moon für einen Fall herangezogen, der unwahrscheinliche Ausmaße annimmt und am Ende ganz London bedroht...

Rezension

Erst auf Seite 325 erfährt man, wer dieser Ich-Erzähler eigentlich ist und ist völlig perplex, denn diese Auflösung hatte zumindest ich nicht erwartet. Ansonsten rumpelt es ebenfalls mächtig in der Kiste. Ein Fliegenmensch, der Wände hochkraxelt und Menschen ermordet, ein Hüne, dem selbst Schwerter nichts anhaben können und eine Sekte, die den Weltuntergang plant oder zumindest die Zerstörung Londons im Jahre 1901, sind nur drei Beispiele unter Dutzenden. Die Figuren scheinen allesamt einem Kuriositätenkabinett entsprungen, Fantastisches wird vermengt mit den Anklängen eines Krimis. Begeistert bin ich besonders von den Einfällen des Autors, die verpackt sind in etwas gestelzte, altmodisch klingende Sätze und damit einen an Flair überreichen Roman bilden. Einzig das Gefühl der Bedrohung, welches Barnes durch den Countdown – noch drei Tage bis zur Zerstörung Londons – zu erreichen versucht, will sich nicht einstellen. Es bleibt bei Andeutungen und die Protagonisten gehen erstaunlicherweise trotzdem entweder gar nicht oder äußerst dilettantisch gegen die Verbrecher vor. Detektivischer Spürsinn?! Aus Edward Moons Mund wird man Sherlock Holmes berühmtes „kombiniere“ sicher nie vernehmen. Da hilft es nicht zu behaupten, der ehemalige Meister seines Fachs sei auf dem absteigenden Ast, wie sich der Autor herauszureden versucht. Letzterer kann dadurch nicht verbergen, dass er keine Ahnung davon hat, wie man einen Kriminalfall konstruiert, Hinweise streut und seine Hauptfigur seine Arbeit tun lässt. Alles, was Moon unternimmt, ist eine Fahrt an den Tatort, an dem er sich für etwa eine Minute umsieht und sich dann ins sogenannte Archiv kutschieren lässt, um dort Akten und Berichte zu wälzen.
Das ist mit ein Grund, weshalb Moon sehr flach bleibt, während einen Nebendarsteller wie Skimpole sehr rührende Momente durchleben lassen und die Präfekten wahre Gänsehaut verursachen. Mit diesen Figuren stellt sich eine Verbindung ein, doch bei Moon ist es einem fast egal, was mit ihm geschieht. Das gleiche bei Charlotte, deren Bekehrung einiges Befremden bei mir auslöste und deshalb die Dynamik, welche sich in der Sekte aufbaut, jeglicher Grundlage zu entbehren scheint. Da schwimmt jemand im Tank – na und? Man kann einfach nicht nachvollziehen, weshalb die Sektenmitglieder ihrem Führer folgen. Darüber hinaus harren etliche Dinge der Aufklärung, welche bis zum Schluss nicht erfolgt. Das wichtigste ist wohl die Frage, wer oder was der Schlafwandler eigentlich ist, was ihn mit Cartridge verbindet und weshalb der Dichter ihn zu kennen scheint. Und was führte zu dem Bruch zwischen Moon und B? „Das Albtraumreich des Edward Moon“ (ein etwas irreführender Titel) hätte der ganz große Wurf werden können, hinkt jedoch inhaltlich der wunderbar atmosphärischen Sprache und den herrlich abstrusen Ideen hinterher.