Inhalt
Sie scheinen ein fröhliches Trio zu bilden, Stuart, seine Freundin Gillian und sein bester Freund Oliver. Der glückliche
Bräutigam in spe hat eine einträgliche Anstellung an einer Bank, Gillian hat sich einen Namen gemacht mit der Restauration
von Gemälden und Oliver, nun, wenn er denn mal eine Anstellung hat, unterrichtet er Englisch. Die traute
Dreisamkeit beginnt zu zerbröckeln, als sich Oliver bei der Hochzeit von Stu und Gil in die Braut verliebt...
Rezension
Der Autor hat eine ungewöhnliche Erzählform gewählt mit den drei Protagonisten und einigen wenigen anderen, die
jeweils aus ihrer Sicht die Ereignisse beschreiben. Stuart macht den Anfang und führt uns in die aktuelle Situation
ein. Ich fürchtete, in diesem Redeschwall zu ertrinken, erschlagen zu werden von den Worten, die einem vor allem
der angeberische Oliver um die Ohren haut. In jedem Absatz bringt er einen französischen Begriff an, den ich
entweder nicht kannte oder den er nicht erklärte. Man mag dagegenhalten, dass es bei Ecos "Der Name der Rose"
teilweise genau andersherum ist - in jedem Absatz findet man immerhin ein Wort, das man kennt. Bei Eco hört es
sich gelehrt an, bei Barnes wurde ich das Gefühl nicht los, hier will jemand nur aufschneiden. Oliver, ein unausstehlicher
Zeitgenosse, will intellektuell wirken, macht sich in meinen Augen aber nur lächerlich. Stuart, seinen
besten Freund, stellt er als gutmütigen Trottel dar und Gillian ist mit ihrer herablassenden Art auch nicht besser.
Muss ich deutlicher werden? Für mich waren sie allesamt miese Schwätzer, obwohl ich immerhin Mitleid empfand
für den gehörnten Ehemann.
Was mich weiterlesen ließ war die Hoffnung auf ein Happy End mit Stuart und seiner Frau, die ebenso wie Oliver
eine bequeme, selbstgerechte Haltung einnimmt - jeder sieht sich als Opfer der Ereignisse. Ich möchte doch sehr
bitten, sie haben es kommen sehen, nichts dagegen unternommen, ihm sogar Vorschub geleistet. Oliver erdreistet
sich, zu behaupten, wenn er fürderhin Schafe hüten würde, wäre seine Liebe nicht echt. Von Freundschaft, Anstand
und Moral noch nie was gehört? Ich möchte mich nicht als Tugendwächterin aufspielen, doch gegen diese
Einstellung hegte ich während des Lesens eine große Abneigung, genau wie vor dem betrügerischen Pärchen.
Gegen die Liebe kann man nichts tun, sagen Sie? Von dieser habe ich ehrlich nichts gespürt. Oliver und co. reden
und reden, doch hatte ich nicht den Eindruck, sie meinten es wirklich ernst. Für Gillian war es anfangs nur ein Spiel,
das sie meiner Meinung nach hätte abbrechen müssen, hätte sie Stuart wirklich geliebt. Oliver will sie besitzen,
beschießt uns mit Worten. Er sei ein Opfer seiner Emotionen - er versucht damit doch nur seine Schuldgefühle zu
überdecken und will gleichzeitig den Leser davon überzeugen, dass er nicht anders hätte handeln können.
"Wenn man mit einem Menschen über längere Zeit zusammenlebt, verliert man allmählich die Kraft, ihn glücklich zu
machen, während das Vermögen, ihn zu verletzen, nicht nachlässt." Und das können sie alle sehr gut. Dabei fragte
ich mich, warum sie von manchen an den Leser gerichteten Monologen erfahren und von anderen nicht. Teilt der
Autor/Interviewer es ihnen mit? Oder, was wahrscheinlicher ist, Barnes dachte, es sei witzig, wenn die Personen,
die man quasi immer nur einzeln trifft, auf einmal interagieren. Das ist nicht das einzige Mal, dass der Autor daneben
liegt, da er auch an anderen Stellen mit seiner bemühten Spritzigkeit punkten will, aber einfach nur anstrengt.
"Er lügt wie ein Augenzeuge." Ein wahres, russisches Sprichwort. Lassen Sie mich als Augenzeugen dieses
Romans sagen, er ist teils originell, intelligent, witzig, doch viel zu oft fand ich ihn nervtötend, geschwätzig und
unsympathisch. Am besten, Sie lesen Stuarts ersten Monolog und wenn ihnen der gefällt, machen Sie weiter. Ansonsten
Finger weg, es wird nicht besser. Oder anders.