Autor | Dann, Jack |
Titel | Die Kathedrale der Erinnerung |
Originaltitel | The Memory Cathedral |
Genre | Historisches |
Seiten | 736 |
Erscheinungsjahr | 1995 |
Auszeichnungen | |
Verfilmungen | |
Verlag | Bastei Lübbe |
Wertung | |
Inhalt
Eins vorneweg: Der Aufenthalt da Vinicis im Orient ist bisher nur Spekulation einiger Forscher. Es gibt
allerdings Briefe Leonardos, die zumindest darauf hindeuten. Und genau auf diese Reise weist der Zusatz
'das geheime Leben des Leonardo' hin, den der Verlag so großspurig auf das Cover gedruckt hat.
Genau genommen geht es um wenig mehr als ein Jahr, in dem da Vinci drei Frauen verliert und aufgrund
der brenzligen politischen Lage in Florenz zwischen den Medici und dem Papst fliehen muss.
Dabei sieht man diesen berühmten Mann als leidenschaftlichen, egozentrischen und auch grausamen
Mann, dessen erfinderische Neugier ihn immer wieder von der Kunst fort- und zu Flugapparaten und
Maschinen hinzieht.
Rezension
Sein Charakter erschien mir zweispältig, mal bewunderte ich ihn, verachtete ihn, mochte ihn nicht, hatte Mitleid. Da
Vinci entbrennt in Leidenschaft für Ginevra, behauptet, dass er sie liebt, wendet sich aber anderen Frauen zu,
obwohl Dann ihn ab und zu an sie denken lässt. Doch der 'Autor leistet in Gefühlsdingen keine gute Arbeit. Da
Vinci erschien weniger als Mensch denn als eine Idee, der Schatten eines Erfinders, ein Golem, dem Leben
hätte eingehaucht werden sollen, was aber nicht gelang. Dann hat sicher gut recherchiert, doch versteht es
nicht, den Leser wirklich an der Geschichte teilhaben zu lassen. Dafür kommt man den Personen einfach nicht
nah genug, da man sie zwar reden und handeln sieht, aber nicht an ihrem Innersten teilhaben darf. Es reicht nicht,
wenn Dann da Vinci an Ginevra denken lässt, Gefühle sind um soviel komplexer als diese pure Leidenschaft. Ein
Beispiel: Der Autor versucht, der (zumindest seinen Beschreibungen nach) rein körperlichen Anziehungskraft
des Paares einen Anstrich von Reinheit zu verpassen, den sie nicht hat. "Sie betete ihn an
mit einer Liebe, die losgelöst war von der Lust..." Hört sich toll an, aber Ginevra übt dabei gerade Fellatio
an Leo aus. Diese 'Liebe' ünerzeugte mich einfach nicht. Dazu noch dies peinlichen Umschreibungen:
"...sie küsste und roch, während sie anfingen, zu schwitzen und ineinander zu stampfen wie geölte
Maschinen aus Fleisch und Knochen." Wie romantisch. Überhaupt kommen Fleisch, Blut und Knochen
recht häufig vor, entweder in Form von Sex oder Gewalt.
Flüssig zu lesen ist das Buch zwar schon, doch reihen sich viele Belanglosigkeiten aneinander, ohne
dass man da Vinci dadurch besser kennenlernen würde. Er wird als Alleskönner dargestellt und der
Schwerpunkt, so scheint mir, liegt nicht auf seiner Person, sondern auf seinen Maschinen (die so nie
angewendet worden sind) und wie effektvoll man damit Menschen verstümmeln und töten kann. Sex &
Violence, aber kaum historisches, man lernt nur wenig über die Zeit, die Menschen, Leonardo. Das erwarte
zumindest ich von einem historischen Schinken von diesen Ausmaßen. Doch auch wenn hier eigentlich
nicht viel passiert, ist es flüssig zu lesen und selten wirklich langweilig, aber eben seicht. Teilweise
hat Dann bestimmte Situationen (die Prozession, das Schlachtfeld) sehr lebendig und anschaulich
dargestellt, dass ich mir wünschte, es wäre ihm bei den Personen auch so gut gelungen.