Autor | Franzen, Jonathan |
Titel | Die Korrekturen |
Originaltitel | The Corrections |
Genre | Drama |
Seiten | 781 |
Erscheinungsjahr | 2001 |
Auszeichnungen | |
Verfilmungen | |
Verlag | Rowohlt |
Website des Autors | www.jonathanfranzen.com |
Wertung | |
Inhalt
Das ältere Ehepaar Enid und Alfred Lambert hat drei nicht nur örtlich entfernte Kinder, die Enid zu einem
letzten Weihnachtsfest nach St. Jude zusammenbringen will. Gary, der Älteste, sieht sich immer mehr in
eine Depression verstrickt und versucht, den Anschluss zu seiner Frau und seinen drei Söhnen nicht zu
verlieren. Chip dagegen ist kein erfolgreicher Börsenmakler wie sein Bruder, sondern hält sich mit allerlei
Jobs mühsam über Wasser. Denise schließlich ist eine Starköchin, kann sich jedoch für keine ihrer beiden
Liebschaften entscheiden...
Rezension
Die ersten 190 Seiten widmen sich Chip und dessen verpfuschtem Leben, während es bis S. 329 um Gary
geht. Es folgen etwa 130 Seiten über das Ehepaar Lambert, bevor man Denise in ihren Erinnerungen und
der Gegenwart begleitet. Ab 635 folgt das letzte Weihnachten, bei dem es eher um die Familie als Ganzes
geht. Warum ich das alles erwähne? Um zu zeigen, was mir an diesem Buch besonders gefallen hat und
mich auch bei Filmen immer wieder fasziniert: Man bekommt erst aus einem Blickwinkel die "Tatsachen"
geschildert und bildet sich eine Meinung über die Personen und die Situation. Dann schwenkt die Kamera
sozusagen herum und zeigt dadurch völlig neue Aspekte, die einem die Komplexität der Beziehungen und
der Unauflösbarkeit ihrer Verflechtungen klar werden lässt. Aus Verachtung wird Mitgefühl, aus Unverständnis
Sympathie.
Über die ersten 328 Seiten wird man daher auch keine Klagen von mir hören. Franzen hat einen 'bekömmlichen',
aber keinen seichten Stil und ist wunderbar nah dran an den Charakteren und ihrem Seelenleben.
Mal ironisch, man nachdenklich ist man Zeuge schöner, aber auch bitterer Erfahrungen der Protagonisten.
Auf der Kreuzfahrt des Ehepaares wird es dann leider etwas zäh und der Autor widmet sich teils
ausführlich Leuten und Gesprächen, die einem fremd sind und es auch bleiben. Ging es nur mir so oder
ist Franzen daraufhin etwas der Effekthascherei erlegen? Ich denke da an Khellye Withers, Litauen und
das 'scheiß' Gespräch. Im gleichen Zug wendet sich der Autor von der Famlie ab und verliert sich eine
Weile in Bemühungen um, ja, Aktion, um etwas, das lediglich marginal mit den Lamberts zu tun hat und
meine Aufmerksamkeit nur schwach binden konnte.
Nach der Rückkehr von der Kreuzfahrt wird es wieder besser, man ahnt die Vorboten der Veränderung,
der Korrekturen, mit denen die Protagonisten beginnen. Für die Eltern bedeutet es, ihre Gebrechlichkeit zu
akzeptieren und auch ihre Kinder machen eine Entwicklung durch, die mir allerdings etwas wolkenlos erschien,
während ich Enids Haltung für meinen Teil ziemlich zynisch fand. Strenggenommen ist dies also
nicht der Roman schlechthin, doch weitaus besser und tiefgründiger als ich nach all dem Lob gefürchtet
hatte.
PS: Die Monika-Lewinsky-Affäre muss ja ein regelrechtes Trauma für die Amerikaner gewesen sein, dass
sie in jüngst erschienenen Romanen (s. z.B. "Der menschliche Makel") so häufig Erwähnung findet. Liegt
das an ihrer vielbeschworenen Prüderie oder ist das ein Vorurteil? Dass von Clintons Faux-pas die Rede
ist, finde ich jedenfalls eindeutig. Nur die Namen wurden vertauscht in Mona (Monika), Hillaire (Hillary) und,
okay, Bill ist geblieben.