Autor | Honegger, Arthur |
Titel | Die Fertigmacher |
Originaltitel | |
Genre | Drama |
Seiten | 224 |
Erscheinungsjahr | 1974 |
Auszeichnungen | |
Verfilmungen | |
Verlag | Benziger |
Wertung | |
Berni Oberholzer ist im Grunde genommen nicht anders als die anderen Jungs in seinem Alter. Er macht die
ersten Erfahrungen mit Mädchen, tobt herum und ist nicht besser oder schlechter in der Schule. Allerdings
kennt er seine leiblichen Eltern nicht, sondern lebt in Pflege in einem Dorf und untersteht zu seinem großen
Unglück einem Vormund, der ihm übel will. Bernis Verhalten ist nicht bedenklich, aber dennoch wird er als
schwer erziehbar gebrandmarkt und landet in einem Heim. Dort gerät er in die Mühlen einer Anstalt, in der
Bestrafung und Gewalt die Erziehung ersetzt...
Rezension
Dieser Roman trägt autobiographische Züge", so der Autor in einem kurzen Vorwort und soll "Zustände
und Systeme" darstellen, die Honegger selbst so erlebt hat. Dennoch mag ich kaum glauben, dass jemand
so viel Pech haben kann wie der junge Berni. Egal, was er sagt oder tut, stets trägt er dieses Stigma des
Unerziehbaren auf der Stirn, den ihm vor allem sein Vormund, der doch das Beste für das Kind anstreben
sollte, anhängt. Ich begann Herrn Zangger zu hassen und nach ihm die vielen Lehrer und Pfleger, die es
allesamt versäumen, sich selbst einmal einen Eindruck über den Jungen zu verschaffen. Ein Lichtblick war
das positive Urteil der Psychiater, das aber nicht verhindern konnte, dass Zangger seiner persönlichen
Abneigung folgte und das Kind einfach wegsperren ließ. Man mag einwenden, der Autor habe sicher
übertrieben und die Situation überspitzt dargestellt. Insofern könnte man dieses Buch mit einer gewissen
Distanz lesen, doch Teile davon müssen auf jeden Fall wahr sein und der beinahe kühle, auf den Punkt
gebrachte Stil Honeggers packte mich. Ich war entsetzt, wütend, traurig und obwohl der Roman altbacken
klingt und in einer Zeit der Erziehungssysteme spielt, die längst vergangen sein sollte, kam ich nicht umhin,
mitgerissen zu werden von der Spirale des Unglücks, die Herr Zangger in Gang gesetzt hat. Da macht es
auch kaum was aus, dass der Roman ein wenig sprunghaft und unvollständig scheint und man aufgrund
der Fülle an Jahren, die innerhalb der etwas über 200 Seiten zusammengerafft werden, die Personen
nicht richtig kennenlernt. Um sie ging es ja leider nicht, sondern primär um Missstände, die der Autor anprangern
wollte.
Verwunderlich nur, wie handzahm die brutalsten Peiniger am Ende erscheinen und dem missverstandenen,
inzwischen erwachsenen Berni alles Gute wünschen. Daher wirkte der Schluss auf
mich etwas befremdlich, nachdem Honegger das ganze Buch über damit zugebracht hat, alles in den
schwärzesten Farben auszumalen. Und wissen Sie, was mich noch wundert? Dass der Junge nicht
zerbricht bei all dieser Qual oder dass er nicht genau so wird, wie die Menschen um ihn herum mit all
ihren guten Absichten befürchtet hatten - trotzig, rebellisch, kriminell. Er wird es nicht, wieso? Ist er eben
so? Ehrlich gesagt weiß ich es nicht, ich kann nicht einmal genau sagen, was für ein Mensch er ist. Berni
bleibt eine Projektionsfläche für all die Kinder, die man in Heime abschiebt, weil man sie nicht haben will.
Traurig, aber sicherlich wahr.