Autor | Lehmann, Hanjo |
Titel | Die Truhen des Arcimboldo |
Originaltitel | |
Genre | Historisches |
Seiten | 694 |
Erscheinungsjahr | 1995 |
Auszeichnungen | |
Verfilmungen | |
Verlag | Aufbau |
Wertung | |
Inhalt
Wie sein Vater und dessen Vorfahren vor ihm, zieht auch der junge Schlosser Luigi Calandrelli nach Rom aus, um
für ein paar Jahre in der Schweizergarde zu dienen. Dort entdeckt man bald sein Talent für das Öffnen und Reparieren von Türen und setzt ihn unter Aufsicht in den weitläufigen, unterirdischen Gängen der vatikanischen Archive
ein. Als er verschüttet wird, stößt er auf ein geheimes Versteck des Arcimboldo. Rund 20 Jahre später hält der
preußische Ingenieur Heinrich Wilhelm Lehmann das Tagebuch des Lugigi in Händen und versucht damit, sich in
die Geschicke des kirchlichen Konzils einzumischen, welches über die Unfehlbarkeit des Papstes zu entscheiden
hat...
Rezension
Wie bereits angedeutet läuft dieser Roman auf zwei Ebenen ab. Auf ein Kapitel mit den Erlebnissen des deutschen
Ingenieurs in der "Gegenwart" des späten 19. Jahrhunderts folgt eines aus dem Tagebuch Luigis. Abgerundet
wird dies durch Artikel aus Berliner Zeitungen, die über das Konzil und den schwelenden Konflikt zwischen Frankreich und Preußen berichten. Letztere wurden mir alsbald zum Gräuel, zu Seiten, die ich schnell überblättern wollte.
Der Rest war anfangs so geheimnisumwittert, dass ich erfahren wollte, was es mit diesen Truhen und dessen
Inhalt denn nun auf sich habe. Dieses Interesse hielt beinahe bis zum Schluss, wurde jedoch abgeschliffen durch
die nicht abreißende Flut von Kirchenkritik, die der Autor über seine Leserschaft hereinbrechen lässt. Die Kirche
habe immense Schuld auf sich geladen, wate in einem Meer von Blut, wenn man sich ihre Vergangenheit ansieht.
Der Entschluss, den Papst, einen Menschen, für unfehlbar zu erklären sei der Gipfel der Anmaßung und das Unerhörteste, was den Bischöfen einfallen könne. Dialoge, so scheint mir, hat Lehmann nur eingebaut, um ebendiese
Tiraden immer wieder auf's Neue auf's Tapet bringen zu können. Nicht nur die Kirche veranstaltet wohl ihre Kreuzzüge...
Quasi als Erholung von der Kritik an den Geistlichkeit und deren Einrichtungen widmet sich Lehmann ausführlich
dem Geschlechtsleben seiner äußerst triebhaften Protagonisten. Ob Nonne, ob Ingenieur, alle werden sie durchgenudelt, wobei sich erstere sogar SM-Praktiten zuwenden.
Tut mir leid, aber ich fand das Gepeitsche krank. Und
was sollte diese scheinheilige Erklärung, es wäre ein Verbrechen, was Luigi seiner Nonne antut? Wer hat denn
damit - völlig zu Unrecht - angefangen? Zu allem Überfluss "verliebt" sich der preußische Ingenieur in so ziemlich
jedes Weib, das er trifft und natürlich fliegen sie alle auf ihn, als sei er James Bond und nicht der farblose Angestellte, als den ich ihn sah. Charakterentwicklung? Fehlanzeige. Seite um Seite verdichtet sich der Eindruck, dieser
Roman sei das Souflée, welches man zu früh aus dem Backofen genommen hat. Die Luft entweicht, die Spannung
sackt zusammen, die expliziten Sexszenen produzieren Dampf, aber verströmen keine Hitze und es bleibt somit
nur der Drang, dieses Buch am Ende in die Truhen des Arcimboldo zu sperren und den Schlüssel wegzuwerfen.
Bedauerlich, fand ich es doch eingangs noch fesselnd und das Titelbild sehr ansprechend.