Autor | Piñol, Albert Sánchez |
Titel | Im Rausch der Stille |
Originaltitel | La pell freda |
Genre | Abenteuer / Fantastik |
Seiten | 252 |
Erscheinungsjahr | 2002 |
Auszeichnungen | |
Verfilmungen | |
Verlag | Fischer |
Wertung | |
Inhalt
Dem jungen Mann ist nicht ganz wohl in seiner Haut, als das Schiff, mit dem er gekommen ist, am Horizont versinkt.
Nun ist er allein auf einer winzigen Insel inmitten des Atlantiks, in Gesellschaft eines offensichtlich verrückten
Leuchtturmwächters, der mit dem neuen Wetterbeobachter bisher kein Wort gewechselt hat. Wo ist der
Vorgänger abgeblieben, den das Schiff hätte mitnehmen sollen? Und weshalb hat sich der seltsame Kerl in dem
Turm verbarrikadiert wie in einer Festung?
Rezension
Über den Ich-Erzähler erfährt man nicht viel mehr als das, was in der Inhaltsangabe steht; Namen gibt es nur für
den Kollegen im Turm und die dritte Person auf der Insel. Wer das ist, sol man schon sehr bald feststellen. Die
reizvolle, geheimnisvolle Atmosphäre wird nämlich bereits in der ersten Nacht durchbrochen, in Form eines
wütenden Ansturms auf das Haus des Wetterbeobachters. Es soll hier nicht verraten werden, wer dieser
Feind ist, allerdings muss ich anmerken, dass die Angreifer so gar nicht in die von Pinol gezeichnete Wirklichkeit
passen wollen. Sein Schreibtstil gleicht zwar durchaus dem eines Traumwandlers, nimmt gefangen und führt dem
Leser die Einsamkeit der Insel deutlicher vor Augen, als ihm womöglich lieb ist. Da wirkte das fantastische
Element wie ein Eindringling, wie ein Puzzlestück, welches mit Gewalt an eine Aussteigergeschichte angepasst
wird.
Wer sich daran nicht stört, wird von einer bildhaft schönen Sprache eingelullt, die jedoch immer häufiger durchbrochen wird durch Akte nackter Brutalität. Was noch schlimmer ist, zumindest in meinen Augen: Der Ich-
Erzähler ist es, der die durch nichts zu rechtfertigenden Grausamkeiten begeht, an einem völlig wehrlosen
Geschöpf. Da wirkt es fast wie eine Genugtuung, dass die Angriffe fortgesetzt werden, obowohl ich wider
Willen hoffte, der Mensch möge den Sieg davontragen. Der Roman warf allerdings die Frage auf, ob man die
beiden verlotterten Gestalten, die des Wetterbeobachters und des Leuchtturmwächters, überhaupt noch als
Menschen betrachten konnte. Das Zivilisierte in ihnen wird alsbald über Bord geworfen, die Philosophen fallen
dem Feuer anheim und die Protagonisten werden zu bloßen Tieren, von niedersten Instinkten getrieben und von
einem Tag zum anderen lebend. Viele ihrer Handlungen wirken dabei äußerst befremdlich - wie sie mit ihrem
"Maskottchen" umgehen, der Bleistifttest, die "Gespräche" mit den Seeleuten oder wie der Autor darauf beharrt,
die Marotten des österreichischen Leuchtturmwächters stets als typisch deutsch darzustellen. Mag sein, dass es
eben diese Eigenschaften waren, die mich an vorliegendem Roman faszinierten. Zugleich angezogen von der
Fremdheit und abgestoßen von der wilden Rohheit der beiden Hauptfiguren musste ich einfach erfahren, ob es
noch Hoffnung für sie gab. Wahrlich eine Reise ins Herz der Finsternis, wie auf dem Einband beschworen.
Oder war es eine Reise in die Finsternis des Herzens?