Inhalt
Das Verhältnis zwischen Ruth Young und ihrer Mutter LuLing ist nicht das herzlichste und auch mit ihrem
Lebensgefährten Art hat sie sich auseinandergelebt. Nun jedoch bedarf ihre Mutter immer mehr ihrer
Hilfe, da sie Anzeichen einer Altersdemenz zu entwickeln scheint. LuLing behauptet zum Beispiel beim
Arzt, fünf Jahre älter zu sein als in ihrem Pass steht und auf einer Familienfeier zeigt sie ein Photo ihres
Kindermädchens und behauptet, das sei ihre Mutter. Doch ist das tatsächlich nur ein Nachlassen ihrer
geistigen Funktionen? Ruth hat Zweifel und rafft sich endlich dazu auf, die auf chinesisch verfasste
Lebensgeschichte LuLings zu lesen, die diese ihr bereits vor Jahren anvertraut hatte und den Titel
"Wahrheit" trägt...
Rezension
Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass mir dieses Buch so gefallen würde. Schließlich behandelt
es ernste Themen wie das Mutter-Tochter-Verhältnis, die eigenen kulturellen und familiären Wurzeln, die
eigene Identität, ohne die wir nicht wissen, wo wir eigentlich hingehören. Amy Tan beschreibt diese
Suche nach sich selbst sehr einfühlsam und gefühlvoll und mir standen mehr als einmal Tränen in den
Augen, so echt beschreibt sie. Ich war richtiggehend gefesselt von der menschlichen Tragödie, die sich
vor meinen Augen entfaltete und konnte sehr gut den Zwiespalt nachvollziehen, in dem die beiden Frauen
steckten. V.a. die Mutter erlebte ich sehr ambivalent, die ich dann aber verstehen lernte als ich ihre ganze
Geschichte erfuhr, die den größten Teil dieses Romans ausmacht. Da merkt man mal wieder, wie voreingenommen
man auf jemanden reagiert, ohne seine Hintergründe zu kennen. Die Charaktere hier sind
aber sehr vielschichtig und stimmig, aufgelockert wird das ganze durch einen leisen Anflug von Humor,
den man nach all der Dramatik sehr zu schätzen weiß.
Das einzige Manko, für mich aber der Knackpunkt bei einem Roman, ist für mich die Tatsache, dass ich
mich mit niemandem so recht identifizieren konnte. Das Mitleid war da, aber es blieb eine gewisse
Distanz, vielleicht weil ich mich von dem ganzen problematischen Verhalten abgrenzen wollte? Es
könnte aber auch sein, dass es zuviele schlechte Menschen gab und zuviel schlimmes passiert und mir die
chinesische Mentalität immer noch ein Rätsel ist. Ach ja, es gibt doch noch einen zweiten kleinen Fehler,
den dieses Buch für mich hat und ihm den Aufstieg in den Olymp verwehrt: Das klebrig-süße Ende
fand ich allzu amerikanisch und passte nicht so recht zum sonstigen Ton des Romans. Aber schließlich
ist Tan Amerikanerin. Oder eine amerikanische Chinesin?