Autor

Winterson, Jeanette

Titel

Verlangen

Originaltitel

The Passion

Genre

Drama

Seiten

195

Erscheinungsjahr

1987

Auszeichnungen

John Llewellyn Rhys Award (1987)

Verfilmungen

Verlag

Fischer

Website des Autors

www.jeanettewinterson.com

Wertung

Inhalt

Es gibt etliche junge Idealisten, die sich freiwillig, sogar mit Freuden dem Heer des Napoelon anschließen, um für ihn halb Europa zu unterwerfen. Auch Henri, ein einfacher Bauernsohn, tritt in die Dienste des kleinen, großen Mannes ein und macht ihm persönlich die Aufwartung. Weit entfernt, genauer gesagt in der sich ständig in Wandlung befindlichen Stadt Venedig trifft der Croutier Villanelle auf ihre einzig wahre Liebe...

Rezension

Die Perspektive, aus der die verschiedenen Erzählstränge betrachtet werden, wechselt beständig. Mal ist Henri der Berichterstatter, dann wieder Villanelle, deren beider Vergangenheit hin und wieder in die Gegenwart eingeflochten wird. Ob und was diese beiden Figuren miteinander zu tun haben, erfährt man erst sehr viel später. Was ihr Gefühlsleben angeht, so bleibt es sehr eingeschränkt. Villanelle entbrennt in Liebe zu einer anderen Frau, so dass in ihrem Denken kein Platz für etwas anderes ist. Henri wiederum fand ich gänzlich blass. Was allerdings schön gelungen ist, ist die traumgleiche Atmosphäre, die verstärkt wird durch die phantastischen Elemente, die spärlich eingestreut werden. So zum Beispiel die Schwimmhäute der Bootsmänner.
Winterson gelingt das Kunststück, diese Elemente nicht deplatziert wirken zu lassen, sondern wie etwas, das vollkommen natürlicherweise Teil von Henris und Villanelles Lebenswelt ist. Was mir allerdings überhaupt nicht gefiel waren die zwar kurzen, aber heftigen Ausbrüche von Gewalt, auf welche die Autorin meinetwegen hätte verzichten können. Die Nonchalance, mit der die Protagonisten diese Brutalitäten akzeptieren, trug nicht gerade dazu bei, mir erstere genehm zu machen. Befremdlich wirkten zudem die wohl philosophisch gemeinten Gedankengänge: „Es ist das Herz, das uns betrügt, das uns weinen macht, das uns unsre Freunde begraben lässt, wenn wir weiter marschieren sollten.“ In meinen Augen wirkten solche Sätze kitschig und oberflächlich, obwohl Winterson an einigen Stellen gezeigt hat, dass sie auch der Tiefgründigkeit fähig ist. Ihre Romane wirken anfangs realistisch, um plötzlich bizarre Formen anzunehmen, welche weder die Figuren, noch den Leser beunruhigen, wie es bei manchen Mixturen aus Drama und Phantastik der Fall ist.
Leider blieben Henri und Villanelle lediglich das, nämlich Figuren in einem teils sehr gelungenen, melancholisch schönen Werk, bei dem ich letztlich die Emotionen vermisste. Die Protagonisten und, wenn man das so sagen darf, die Handlung wirkten so abgebrüht, so wenig spontan, dass man sich zwar ein wenig wie in einem Märchen fühlt, aber genau weiß, dass man lediglich mit einem Buch in der Hand irgendwo auf dem Sofa hockt und den Akteuren beim Spielen zusieht.