Autor

Fest, Joachim

Titel

Ich nicht - Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend

Originaltitel

Genre

Autobiographie

Seiten

367

Erscheinungsjahr

2006

Auszeichnungen

Verfilmungen

Verlag

Rowohlt

Wertung

Inhalt

1926 in Berlin geboren, wächst Joachim Fest in einer Zeit auf, in der Hitler langsam an Macht gewinnt, um diese später vollends zu übernehmen. Der Vater Joachims jedoch macht von Anfang an keinen Hehl aus seiner Verachtung für die nationalistische Gesinnung, selbst nachdem ihm als Lehrer ein Berufsverbot auferlegt wird und Gerüchte umgehen, in Konzentrationslagern würden Menschen zu Hunderten umgebracht. Johannes Fests unbeugsame Haltung hat weitere Konsequenzen: Die Kinder zum Beispiel werden auf ein Internat in Freiburg geschickt, landen allerdings trotzdem in der Reichsarmee...

Rezension

Es kommt äußerst selten vor, dass ich eine (Auto)Biographie lese, aber über einen Mann mit solcher Zivilcourage wollte ich gerne mehr erfahren. Fest macht ebenfalls keinen Hehl aus seiner Bewunderung für den Vater, der leider viel zu selten Erwähnung findet. Generell bedauerte ich, dass das Familienleben der Fests so kurz kam. Oder kam es mir nur so vor? Unbestritten sind das die bewegendsten Momente dieses Buchs, das sich ansonsten darum dreht, welche Lektüre der Autor genossen hat, in welche Opern er gegangen ist und welch hochtrabende Diskussionen er mit seinen Freunden und Verwandten geführt hat. Man könnte fast meinen, er hätte nie etwas getan, das ohne Anspruch gewesen wäre. Darum wäre ich so vermessen zu sagen, dass Fest seine Vergangenheit ein wenig verklärt. Der Vater so heldenhaft, er selbst kein Mitläufer, aber doch freiwillig in die Reichsarmee eingetreten. Dazu eben diese Aura eines Intellektuellen, mit der er sich umgibt. Einzig beim Tode seines Bruders kann man einen Blick auf die gefühlvolle Seite erhaschen und was dieser Verlust für ihn bedeutet haben mag. Ansonsten hält der Autor sich an die Fakten oder zumindest an das, woran er und die Leute sich erinnern oder zu erinnern meinen. Dabei lässt er einen ganzen Reigen an Personen auftreten, von denen man oft nur die Namen erfährt und die darüber hinaus in der teilweise nicht chronologisch verlaufenden Erzählung wild durcheinander geworfen werden. Ganz zu schweigen davon, dass Fest sie teilweise nur erwähnt, um mit ihrer Berühmtheit anzugeben.
Nun sollte ich aber noch zu ein paar Punkten kommen, die ich gut fand, da ansonsten der Eindruck entsteht, ich hätte an vorliegendem Werk kein gutes Haar gelassen. Da wäre zum einen der routinierte Stil, mit der Fest die damalige Zeit wieder aufleben lässt. Das Buch liest sich, von den vielen Zeitsprüngen einmal abgesehen, wie aus einem Guss. Es gibt komische und traurige Szenen, aber leider kaum solche, in denen man etwas Geschichtliches lernt. Ganz im Gegenteil, es wird einiges vorausgesetzt, vor allem was wohl bekannte Persönlichkeiten angeht, welche ich nicht kannte, wie ich zugeben muss. Als historisches Dokument findet sich ein Abbild des Schriftstücks, in dem Joachim Fest von seiner Arbeit als Lehrer suspendiert wird. Des weiteren gibt es ein gutes Dutzend Fotos, auf denen der Autor oder seine Familie zu sehen sind.
Es kann nicht leicht gewesen sein, nach über sechzig Jahren zu rekonstruieren, was damals geschehen ist. Daher kann man als Leser kaum ersehen, welche Teile des vorliegenden Buches der Wirklichkeit entstammen und welche im nachhinein überarbeitet wurden – nicht mit Absicht, die Erinnerung ist eben ein Konstrukt, keine absolute Wahrheit. Man muss sich nur mal ansehen, wie unterschiedlich Erzählungen verschiedener Personen von ein und derselben Begebenheit sind. Nichtsdestotrotz fand ich die Lektüre von „Ich nicht“ durchaus anregend, teils witzig und berührend. Für ein zeitgeschichtliches Dokument zu einseitig auf die Person Joachim Fests fixiert, als Einblick in seine Persönlichkeit jedoch erhellend.