Autor

Greiner, Ulrich

Titel

Leseverführer - Eine Gebrauchsanweisung zum Lesen schöner Literatur

Originaltitel

Genre

Sachbuch

Seiten

204

Erscheinungsjahr

2005

Auszeichnungen

Verfilmungen

Verlag

C.H. Beck

Wertung

Inhalt

Als Leseverführer angespriesen, spricht der Autor verschiedene Themen an, die jeden Leser irgendwann einmal bewegen. Etwa, muss ein gutes Buch ein schlechtes Ende haben? Muss man den Verfasser eines Romans kennen? Muss man alles zu Ende lesen? Welche Arten von Lesern gibt es? Und natürlich, warum lesen wir?

Rezension

Das Leseerlebnis ist natürlich immer subjektiv: "Dem hinterbliebenen Freund [...] gibt es naturgemäß noch heute zu denken, was tatsächlich sein Kollege am Fernrohr gesehen hat, denn dasselbe bestimmt nicht." Daher kann es im Grunde keine Gebrauchsanweisung zum Lesen geben, wie im Titel so großspurig angekündigt. Das hatte ich weder gewollt noch erwartet, war aber sehr gespannt darauf, zu erfahren, was für Greiner wichtig ist. Dabei spricht er seinen Gedanken aus, dass Bücher oft dem Eskapismus dienen. Lesen soll also eine Art Flucht sein aus dem Alltag und der "Wiederkehr des Gleichen", das als eine Art Gefängnis empfunden wird. Doch warum wollen die Leute ständig Variationen desselben Themas lesen? Und amüsiert uns nicht vor allem das, worin wir uns selbst wiedererkennen? "Bridget Jones' Diaries" oder die ebenso leichten Geschichten von Ildikó von Kürthy sind nicht zuletzt deshalb erfolgreich, weil wir Frauen uns den Figuren als ähnlich erleben. Als eine totale Flucht würde ich das Lesen also nicht sehen, man will wohl eher erleben, dass jemand, der man selbst sein könnte, seine Ziele erreicht und Erfolg hat in den Dingen, die wir selbst gerne tun könnten, natürlich vor allem im Bereich der Liebe. Natürlich kann dies zu dem Extrem führen, dass man sein Leben quasi von den Protagonisten leben lässt und sich so darin vergräbt, dass man selbst nichts mehr anfängt. Aber schließlich kann jedes Hobby bis zum Extrem betrieben werden und damit schädlich werden.
Neben den Gründen, die einen Bücherwurm dazu bewegen, seiner Leidenschaft nachzugehen, erwähnt Greiner den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Wahrheit einer Geschichte. Wie bei seinen anderen Themen verwendet er auch hier exemplarische Beispiele und führt dazu ganze Absätze aus Büchern an. Im Großen und Ganzen stimme ich Greiners Ausführungen zu, doch das meiste hatte man sich schon vorher gedacht und wird hier darum nicht allzuviel Neues finden. Dennoch ist es eine Bestätigung für mich zu erfahren, dass der Autor oft dieselben Ansichten hat wie ich. In zwei Punkten möchte ich aber doch widersprechen, da Greiner meint, der Schöpfer eines Werkes sei egal. Man müsse diesen nicht kennen, um ein Buch zu verstehen, da es sowieso ein solch subjektiver Akt ist und jeder etwas anderes für sich findet. Ich finde allerdings, dass man einiges nur aus den Umständen heraus begreifen kann, vor allem bei schon etwas älteren Romanen oder solchen, die in einem anderen Land oder einer anderen Kultur spielen. Nun gut, persönlich muss man die Verfasser wirklich nicht kennen, aber ich würde es dennoch nicht pauschal ausschließen, wie es Greiner tut.
Der andere Punkt, an dem ich anderer Meinung bin: "[...] zugleich aber empfinde ich die sprachliche Askese als wohltuend und befreiend. Sie befreit von der maulfertigen Opulenz, von der ausgefuchsten Kunstfertigkeit, mit der uns heute viele Texte, bis hinein in die Medien, auf lästige Weise beglücken; [...]". Ich finde eher, dass das Gegenteil der Fall ist. Es ist eine Verarmung der Sprache zu beobachten, im alltäglichen Gebrauch genauso wie in den Büchern der Massen, sprich in Krimis, Thrillern oder der sogenannten Frauenliteratur. Nicht umsonst gibt es Werke wie "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod".
Generell hat Herr Greiner manchmal einen etwas schulmeisterischen Ton drauf, obwohl das meiste locker zu lesen ist und nicht selten Aspekte des Lesens angesprochen werden, über die man in dieser Form noch nicht nachgedacht hat. Gegen Ende ermüdeten mich die bis zu einer Seite umfassenden Textauszüge, aber alles in allem war dies eine interessante Lektüre und sie gibt sicher Anlass zu vielen Diskussionen.
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