Autor | Postman, Neil |
Titel | Wir amüsieren uns zu Tode – Urteilsbildung im
Zeitalter der Unterhaltungsindustrie |
Originaltitel | Amusing Ourselves to Death. Public Discourse in the Age of Show Business |
Genre | Sachbuch |
Seiten | 198 |
Erscheinungsjahr | 1985 |
Auszeichnungen | |
Verfilmungen | |
Verlag | Fischer |
Wertung | |
Inhalt
„Problematisch am Fernsehen ist nicht, daß es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, daß es
uns jedes Thema als Unterhaltung präsentiert.“ In zwei Teilen verdeutlicht Postman die negative Seite des Informationszeitalters, in dem die Form letztendlich über den Inhalt siegt. Der erste Teil widmet sich vor allem der Zeit
des Buchdrucks in der die Bildung als hohes Gut betrachtet wurde, während in der anderen Hälfte davor gewarnt
wird, dass jedwede Art von Information – seien es religiöse Messen oder Wahlkampfsendungen – als große Show
präsentiert und somit belanglos und austauschbar wird...
Rezension
Dieses Werk ist nicht sonderlich gut, es ist aber auch nicht schlecht. Das Tolle ist, dass es Diskussionen anzuregen vermag, da es nach über zwanzig Jahren von der Idee her immer noch aktuell ist. Oder wird nicht noch
immer versucht, den Unterricht in der Schule spannend zu gestalten , indem man die (neuen) Medien heranzieht?
Oder hat die Tagesschau etwa keine Titelmelodie? Und an wie viel von der der letzten Nachrichten kann man sich
erinnern? Dem Grundtenor würde ich also zustimmen, obwohl sich Postman in seinen Ausführungen konsequent
auf die Situation in Amerika bezieht. Daher kommt man als deutscher Leser öfters ins Schwimmen, wenn bestimmte
Sendungen angesprochen werden, die niemals hier anliefen oder Schauspieler und Prominente erwähnt werden,
die man nicht kennt, nicht zuletzt aufgrund der dazwischen liegenden zwanzig Jahre. Und richtige Fernsehprediger
gibt es in Deutschland zum Glück nicht. Generell hat mich gewundert, wie stark Postman auf dieses Thema einging.
Schließlich hat das, was im TV läuft, für mich überhaupt nichts mit Religiosität zu tun.
Darüber hinaus halte ich Postmans Abgesang auf Bildung und intellektuelle Diskurse für übertrieben. Zudem fehlt
eine Erklärung dafür, was er unter diesen beiden Begriffen überhaupt versteht. Es war früher, in der „guten alten
Zeit“, die er so wortreich heraufbeschwört, sicherlich viel einfacher, als gebildet zu gelten. Man musste ein paar
Bücher gelesen haben und über die aktuelle lokale Politik informiert sein. So hört es sich jedenfalls an. Jetzt,
zweihundert Jahre später, haben wir ein vielfaches an Wissen akkumuliert, welches kein Mensch auch nur
annähernd allein speichern kann. Was also gehört heutzutage zur Bildung? Ist ein brillanter, aber weltabgewandter
Physiker ungebildet zu nennen, der vom aktuellen Geschehen und von der zeitgenössischen Literatur keinen
blassen Schimmer hat? Außerdem bezweifle ich, dass früher alles so rosig war, wie Postman es sich ausmalt.
Nicht jeder konnte lesen, nicht jeder gar Englisch sprechen. Und Homer und co. gelesen zu haben, ist nicht
gleichbedeutend damit, ihn auch zu verstehen.
Mit dem Aufkommen eines neuen Mediums ertönt stets auf's Neue der Abgesang auf das Niveau der Gesellschaft.
Der Buchdruck hatte ebensoviele Feinde wie das Kino, das Fernsehen, der Computer und zuletzt das Internet.
Man müsste eigentlich daraus folgern, dass der Einzelne jedesmal dümmer, inkompetenter und unzurechnungsfähiger geworden sein müsste. Warum dem nicht so ist? Oder warum es in manchen Fällen doch so ist? Weil die
Medien nicht die alleinigen Sozialisationspartner der Heranwachsenden sind, sondern Familie und Freunde, Nachbarschaft und Gesellschaft an sich ihr Scherflein beitragen. Das vergisst Postman leider, nämlich dass man die
Eltern in die Pflicht nehmen sollte, ihre Kinder zu erziehen und sie auf die heutige Zeit vorzubereiten. Wie so viele
schiebt der Autor die Verantwortung jemand anderem unter und zeichnet ein Bild einer blind umher rennenden
Horde von Schafen, die sich willenlos verblöden lassen.
Ich finde, Postman hat in vielen Fällen recht, etwa dass das heutige Informiertsein nur allzu selten in konkrete
Taten umgesetzt wird. Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass früher, im ach so tollen früheren Amerika, sofort
wenn überhaupt irgendwelche Aktionen gestartet und nicht nur Stammtischreden geschwungen wurden. Postman
ist manchmal allzu optimistisch, was das Ausmaß des Einflusses der Medien angeht und allzu pessimistisch, was
die Intelligenz der Bürger angeht. Oder doch nicht? Und genau das macht das vorliegende Werk reizvoll: In einer
Art dialektischer Erörterung das Für und Wider zusammenzupuzzeln. Auf der anderen Seite führt der Autor kaum
Belege für seine Behauptungen auf und so ist sein Buch kaum mehr als eine Niederlegung seiner persönlichen
Meinung.
Heutzutage ist die Forschung auf diesem Gebiet sicher einen großen Schritt weiter – aus welcher Disziplin
stammt eigentlich der Autor? - und es gibt wahrscheinlich bessere Bücher zu dem Thema. Aber letztendlich kann
man den Einfluss der Medien wohl sowieso nicht auf einen Nenner bringen, zu unterschiedlich sind die Lebenswelten und Umstände der Leute, auf die eingewirkt wird.