Autor | Berger, Frederik
(= Gesing, Fritz) |
Titel | Die Provençalin |
Originaltitel | |
Genre | Historisches |
Seiten | 702 |
Erscheinungsjahr | 1999 |
Auszeichnungen | |
Verfilmungen | |
Verlag | Aufbau |
Website des Autors | www.frederikberger.de |
Wertung | |
Inhalt
Im Frankreich des 16. Jahrhunderts beherrscht der Standesdünkel die Meinung der Adligen und so ist es kaum
verwunderlich, dass das Werben Jean Mayniers um die schöne Madeleine d'Agoult harsch zurückgewiesen
wird. Sie soll ihren Cousin Louis ehelichen, einen zwar schwächlichen, aber reichen und einer angesehenen
Familie entstammenden jungen Mann. Die Vorfahren des Baron d'Oppède dagegen sind nur durch zweifelhafte
Umstände an ihr Lehen und ihren Titel gelangt und so muss Jean eine andere heiraten. Den Stachel in seinem
Fleisch, die aussichtslose Liebe zu Madeleine wird er nie mehr los...
Rezension
Klingt nach einem Liebes-Historien-Schinken, da ich den Inhalt dieses Werkes einfach nicht besser zusammenfassen konnte, ohne allzuviel zu verraten. Was hier alles passiert, geht auf keine Kuhhaut! Der Krieg mit dem
deutschen Kaiser um Mailand, die Verfolgung der Waldenser durch die Inquisition usw. Dabei fing der Roman
tatsächlich etwas kitschig an, doch bevor ich mich enttäuscht abwenden konnte, hatte es mich gepackt. Eine
unerfüllte Liebe, ein Mann, der sich zu grausamen Taten hinreißen lässt und den man dennoch nicht gänzlich
verurteilen kann. Die Figur des Jean Maynier finde ich daher am besten geglückt, gefolgt von seinem Sohn Pierre,
der ebenso Schuld auf sich lädt, aber eher aus Naivität denn aus Boshaftigkeit. Auch Madeleine ist erstaunlich
ambivalent und so kann man sich hier getrost von der so oft in Büchern vorkommenden Teilung in schwarz und
weiß verabschieden und völlig abtauchen in eine andere Welt.
Das ist der nächste positive Aspekt, den ich nicht unerwähnt lassen möchte. Berger schildert nämlich derart
prall, sein Buch ist so voller Saft und Kraft, dass ich gar nicht mehr davon ablassen mochte. Ständig geschieht
etwas, man begleitet die Protagonisten durch die Provençe, nach Rom und wieder zurück und hat kaum das
Gefühl, dass hier etwas erfunden wird. Zu diesem Eindruck trägt auch bei, dass sich die Schilderung der
historischen Tatsachen nahtlos in die Erzählung einfügt, was bei vielen anderen Romanen aufgesetzt oder wie
eine trockene Geschichtsstunde in der Schule wirkt. Berger überfrachtet den Leser nicht mit etlichen Daten und
Fakten, sondern umreißt die wichtigsten Begebenheiten und strickt seine Handlung geschickt drumherum.
Allerdings, fällt mir gerade ein, ließe sich an der Figur des Pierre Mayniers doch etwas monieren. Ich finde es
zwar gut, dass es nicht nur die eine, die einzig wahre Liebe in seinem Leben gibt, sondern derer gar mehrere.
Seine plötzliche Gefühlsaufwallung besonders im Hinblick auf das Mädchen, das er in Rom befreien muss (ich
will keine Namen verraten), wirkt leider äußerst unglaubwürdig. Verlieben kann er sich ja, doch Berger stellt es
so dar, als hätte diese Liebe schon immer gegolten, als sei sie Schicksal. Den Teil würde ich also durchaus dem
Kitsch zuordnen.
Das Rätsel um den Titel „Die Provençalin“, den ich irreführend finde – geht es doch in erster Linie um Jean und
seinen Sohn Pierre – wurde nach einem Blick auf die Website des Autors schnell gelöst. Der Verlag hatte
entschieden, „Die provençalische Nacht“ umzubenennen, um damit vor allem die sich zum großen Teil aus dem
weiblichen Bevölkerungsanteil rekrutierende Leserschaft anzusprechen. Auch der Klappentext klingt, als gehe
es vornehmlich um Madeleine, die zweifelsohne der Dreh- und Angelpunkt ist, aber nicht die Hauptrolle spielt.
Ich erwähne das nur, damit keine Missverständnisse aufkommen.
Also noch einmal: Mit kaum einem historischen Schmöker, den ich in der letzten Zeit gelesen habe, habe ich mich
so glänzend unterhalten wie mit diesem. In Bergers Fantasie erwacht die finstere Zeit der Inquisition zu neuem
Leben und die historischen Fakten sind wohl größtenteils korrekt, wenn man dem Nachwort Glauben schenken
darf. Der Grausamkeiten gibt es dabei zwar einige, aber der Verfasser ergötzt sich nicht an ihnen. Sie werden
erwähnt, da es Schriften gibt, die Zeugnis von diesen Ereignissen ablegen, aber wir sind hier zum Glück nicht
in dem neuen Film von Tarantino („Death Proof“). Bei den Beziehungen der Protagonisten nahm der Autor
zwar zuweilen etwas viel von dem Schmalz, sie besitzen aber trotzdem Pfeffer und die Tatsache, dass selbst
das „Monstrum“ Jean Maynier, ein Scherge der Inquisition und eine belegte historische Persönlichkeit, eine sehr
menschliche Seite besitzt, mir sogar manchmal leid tat, verleiht dem Roman zusätzliche Würze. Also nicht vom
Umfang abschrecken lassen, „Die Provençalin“ ist äußerst kurzweilig.