Autor | Coetzee, Jean Maxwell |
Titel | Schande |
Originaltitel | Disgrace |
Genre | Drama |
Seiten | 285 |
Erscheinungsjahr | 1999 |
Auszeichnungen | |
Verfilmungen | Disgrace (2008) |
Verlag | Fischer |
Wertung | |
Inhalt
David Lurie ist 52 und Professor für Kommunikationswissenschaften an einer Universität in Südafrika. Er hat eine
kurze Affäre mit Melanie, einer seiner Studentinnen und erst 20 Jahre alt. Die Sache kommt ans Licht und Lurie muss
sich nicht nur vor dem Untersuchunsausschuss der Verantwortung stellen, sondern auch seiner Tochter, zu der
er auf's Land zieht...
Rezension
Dieses Buch ist eines, an dem sich die Geister scheiden. Manche Rezensenten sprechen von Menschlichkeit und
Wärme, von der ich aber überhaupt nichts gespürt habe. David Lurie ist ein kalter Fisch und behandelt seine
Mitmenschen auch so. Seine Tochter Lucy wirkt gleichgültig und lebt von einem Tag auf den andern. Eines kann ich
immerhin sagen: Man bleibt nicht unberührt. Ich zum Beispiel war wütend auf beinahe jeden. Auf Lurie mit seiner
arroganten, selbstgerechten Art und Einsichten, die mir wie Hohn und völlig verlogen schienen: "Offenbar ist es ihm
nicht gegeben, hart zu sein." Aber nur, wenn Hunde eingeschläfert werden sollen. Zudem ist seine Gedankenwelt
von überkommenen Einstellungen geprägt; er beurteilt sogar seine eigene Tochter vor allem nach dem Äuißeren
("Attraktiv, denkt er, aber für die Männerwelt verloren.") und preist sich selbst ("Vom Tag ihrer Geburt an hat er für
seine Tochter nichts als die spontanste, vorbehaltloseste Liebe empfunden. Unmöglich, dass sie das nicht bemerkt
hat. Ist sie zu groß gewesen, diese Liebe? Ist sie eine Last gewesen?"). Was soll ich mit einem Hauptcharakter,
für den ich nichts als Verachtung übrig habe? Dessen Worte hohl klingen? Generell gönnte mir Coetzee nicht eine
liebenswerte Figur. War das Absicht? Man sollte sich weder mit dem alten (Lurie), noch mit dem neuen Afrika
(Lucy, Petrus) anfreunden können? Ich kenne das Leben in Südafrika nicht, aber mir scheint es kein sehr schönes
zu sein. Die Weißen, vertreten durch den Professor, sind sich sogar zu schade, um die Landessprache zu lernen.
Und Petrus, ein hart arbeitender, schwarzer Farmer, verteidigt einen der Männer, die Lurie und seine Tochter
überfallen haben, lässt ihn sogar auf seinem Fest mitfeiern. Lurie schwingt sich dabei zum Moralapostel auf, wirkt
aber hilflos und unaufrichtig.
Und irgendwie fehlt bei alldem der Glaube daran, dass die Figuren des Romans überhaupt etwas spüren. Auf mich
wirkten sie wie starre Puppen, die Coetzee nur einsetzt, um die Situation in seinem Land zu verdeutlichen. In
seinem? Erst unterdrücken die Weißen die dortige Bevölkerung und jetzt muss sich Lucy opfern, für die Sünden
ihrer Vorfahren büßen?! Was hält sie davon ab, zur Polizei zu gehen? Sie muss weiterhin dort leben, meint sie,
verurteilt damit meiner Meinung nach alle anderen Frauen zu dem gleichen Schicksal. Wenn Verbrechen ungesühnt
bleiben, unter den Teppich gekehrt werden, wie soll man da in Frieden leben können? Lucy wirkte wie eine
Märtyrerin, die sie meiner Ansicht nach nicht sein müsste, vor allem weil ich ihr Verhalten nicht nachvollziehen
konnte. Mich machte diese fatalistische Haltung wütend, die schließlich maßgebend für das zukünftige Zusammenleben
sein wird. Auf solch eine Zukunft könnte ich getrost verzichten.
An einer Stelle bemerkt Lucy, es würde keinen Unterschied machen, ob sich bei einem Überfall einer oder zwei
Personen auf der Farm aufhielten. Ihr Vater meint dazu, das wäre sehr philosophisch. Wird klar, warum ich sage,
die Sätze klingen hohl? Irgendwie fand ich die Gespräche nicht natürlich und es ist mir egal, ob Coetzee nun zwei
oder hundert Booker Prizes gewonnen hat, ich finde ihn als Autor nicht gut. Er nimmt sich aber immerhin eines sehr
kontroversen Themas an, das er aber näher am Einzelnen hätte präsentieren müssen. So prallen hier zwar zwei
Lebensweisen aufeinander, aber keine Menschen.