Inhalt
Ilja Iljitsch Oblomow ist ein Faulpelz, wie er im Buche steht. Er lebt von seinem Erbe, ein paar Höfen, die
nach Angaben des Dorfältesten immer weniger abwerfen. Oblomow kann dies nun einmal nicht nachprüfen,
da er sein Zimmer oder gar seine Liegestatt nicht verlässt. Immer wieder bekommt er Besuch
von Menschen, die so ganz anders sind als er - umtriebig, strebsam, fleißig, verliebt. Werden sein Freund
Stolz und Olga es schaffen, Oblomow aus seiner Verweigerungshaltung zu reißen?
Rezension
Welch eine angenehme Überraschung! Gontscharow ist sarkastisch und sehr amüsant und keinesfalls
angestaubt, wie man vom Alter des Buches her erwarten könnte. Es kommt zu den absurdesten Dialogen
zwischen Oblomow und seinem Diener Sachar, bei denen die beiden zeitweise selbst nicht mehr wissen,
worum es eigentlich geht. Sehr detailliert zeichnet der Autor seine Foguren und lässt dabei sehr oft die
Handlung links liegen. Das macht aber aufgrund der vielen interessanten, auftretenden Personen nicht
viel aus, die zuweilen ins Groteske überzeichnet werden. Jeder Besucher Oblomows tritt auf für einen
bestimmten Schlag von Menschen im damaligen Russland, die, so möchte ich behaupten, auch heute
überall anzutreffen sind.
Natürlich ist zwischen den beiden Buchdeckeln nicht alles perfekt geraten. Gontscharow übertreibt es
für meinen Geschmack manchmal mit der Genauigkeit seiner Beschreibungen und gerät dabei ins
schwadronieren. Den Traum Oblomows fand ich zum Beispiel geradezu langweilig. Sicher, man erfährt,
wie der adlige Faulpelz bereits als Kind verhätschelt und in seiner natürlichen Entwicklung behindert
wurde, aber insgesamt gab es vor allem an dieser Stelle zu viel, was mich schlichtweg nicht interessierte.
Warum sich dieses Werk dennoch lohnt? Im Gegensatz zu den meisten heutigen Autoren nimmt sich
Gontscharow richtig Zeit für seine Figuren und das Milieu, in dem sie leben. Es sind zwar Extreme, die
präsentiert werden, doch konnte ich mich sehr gut hineinversetzen in die jeweilige Situation und wurde
regelrecht mitgerissen von dem Ausbruch der Gefühle, die Oblomow und Olga umtreiben. Selten hat mich
eine Romanze in einem Roman so berührt - das muss Gontscharow mal einer nachmachen! Allein dieser
Teil ist die Lektüre wert.
Abschließend frage ich mich, ob wirklich mehr Sinn in der Hetzerei steckt, die Oblomows Bekannte und
Freunde täglich veranstalten, als in seinem Nichtstun? Eines jedenfalls übersieht der träge Adlige: Sein
Leben wird durch die unermüdliche Arbeit Anderer ermöglicht, vor allem der seiner Bauern. Zum Glück
aber gibt es nicht so viele Menschen dieser Sorte, da eine Gesellschaft sonst nicht tragfähig wäre.
Obwohl, so langsam habe ich meine Zweifel, da hierzulande Leute schon anfangen, wegen 18 Minuten
Mehrarbeit pro Tag zu streiken. Eine 40-Stunden-Woche sollte man ihnen schon zumuten können...