Autor | Hahn, Ulla |
Titel | Das verborgene Wort |
Originaltitel | |
Genre | Drama |
Seiten | 592 |
Erscheinungsjahr | 2001 |
Auszeichnungen | |
Verfilmungen | Teufelsbraten (2007) |
Verlag | dva |
Wertung | |
Inhalt
Hildegard Palm, Kind einfacher Eltern, die kaum Verständnis für sie aufbringen, hat sich seit jeher in die Welt der
Bücher geflüchtet. Worte haben es ihr angetan, begeistert notiert sie sich neu Gelerntes und sammelt schöne
Sätze und Aussprüche von Autoren und Dichtern. Die Realschule darf sie noch besuchen, muss dann aber triotz
ihrer sehr guten Leistungen auf das Abitur verzichten und eine Lehre anfangen. "Denks de, dat de jetzt Besseres
bes?" "Du blievs doch, wat de bes, dat Kenk von nem Prolete." Solches muss Hildegard sich immer wieder anhören
und nicht nur das, auch der Stock wird des öfteren hinter der Uhr hervorgeholt...
Rezension
Wem dieses Plattdeutsch nicht behagt, der sollte sich dieses Buch lieber nicht zu Gemüte führen, da sich die
Personen fast nur in diesem Dialekt unterhalten. Das magere Glossar hatte ich zudem erst entdeckt, als ich schon
fast ein Drittel gelesen hatte und das nur, weil ich nachsehen wollte, wieviele Seiten mich noch erwarteten. Die
einfachen Worte waren erklärt, manchmal mitten im Text, während mir die Bedeutung einiger anderer schleierhaft
blieb. Doch man gewöhnt sich daran, wenn es auch den Lesefluss zuweilen arg ins Stocken bringt.
Nun hatte ich aber schon viel von Hahn gehört - war ihr Buch nicht vom Literaturpapst Reich-Ranitzki verissen und
es dennoch oder gerade darum bestens verkauft worden? Meine Neugier war geweckt, mein Misstrauen nicht
minder - Gedichte hatte Frau Hahn bisher geschrieben und das merkt man bisweilen an den schönen Formulierungen,
die sie für den Gesang in der Kirche oder das Glück des Lesens und Schreibens findet. Diese Ansätze
ihres Könnens verschwinden indes in dem Rest, der erstaunlich simpel und leider auch ein wenig lang geraten ist.
Vieles war es mir nicht wert, derart ausführlich erwähnt zu werden, wie die vielen Passagen aus Lexika am Ende
oder die gesamte Vielfalt der Bohne. Ich überflog vieles (die Kittel mit den Blumen, den Affen, den Ankern und weiß
der Geier was bedruckt) und wartete auf die "intensive Darstellung einer Kindheit und frühen Jugendzeit", wie auf
der Rückseite des Romans geworben wurde. Vielleicht lag es an mir, entweder man hasst oder man liebt das Buch,
auch wenn ich mich eher in die ambivalente Ecke stellen würde. Hahn versteht es, zu beschreiben, mit einfachen
Worten eine Szene auf die Leinwand zu werfen. Doch was sie malt, bleibt abstrakt und entbehrt der Emotionen.
Die Ich-Erzählerin Hildegard (Hilla) denkt pausenlos, flüchtet sich in die Sprache und betrachtet die Welt von außen,
eine Verlängerung von Hahns Stift. Die Cousine hat Krebs - wie traurig. Hilla muss eine Lehre machen - na und?
Die Autorin konnte mir das Geschehen einfach nicht spürbar machen. In der Familie sind sowieso fast alle engstirnig
und grausam und das Drama wird von Hahn bisweilen arg an die Spitze getrieben.
Von Liebe ist das Mädchen auch nie beseelt, sie trifft einen Jungen nach dem andern, manche sogar parallel und
ich finde es völlig unlogisch, dass die Dösköppe das nie mitkriegen, wo doch sonst jedes Gerücht sofort im Dorf
rum ist.
Dazu leistet sich die Autorin ein paar verwirrende Zeitsprünge, die das Stagnieren in Hillas Entwicklung wohl
verbergen sollen, die das gleiche weltabgewandte, unwissende Gör bleibt (es gibt viel mehr Dinge auf Gottes
Erden als ihre Schulweisheit sich träumt). Mit 16 weiß sie immer noch nichts über Sex und muss den Begriff in
einem Buchladen nachschlagen. Mir kann keiner erzählen, die Bücherei, die Hilla so oft beehrt, hätte keine Lexika
in seinen Regalen!
Hildegard ändert sich nicht, doch da sowohl sie, als auch ich jedwedes Schicksal fast unbeteiligt an uns vorüberziehen
ließen, war sie mir gelinde gesagt Wurschd. Alle Figuren, die in Hülle und Fülle auftauchen und schnell
wieder in der Versenkung verschwinden lernte man nur sehr flüchtig kennen. Freunde hat Hilla keine, was mich
bei ihren Ausbrüchen auch nicht wundert. "Ich wollte träumen, nicht leben, ersehnen, nicht erlangen." Und genau
darum lebte sie nicht, auch (in) Hahns Buch nicht. Im Grunde genommen hatte das Mädchen es doch ganz gut, im
Gegensatz zu manch anderen. Sie musste nie um ihre Freiheit kämpfen, das taten andere für sie.