Inhalt
Im München der 1930er Jahre verschwinden mehrere junge Frauen, alle mit üppiger Figur und langem schwarzen Haar. Noch scheint niemand eine Verbindung zwischen diesen Vorfällen hergestellt zu haben, denn auch Käthe, ein Mädchen vom Lande, bandelt sorglos mit ihr völlig fremden Männern an...
Rezensiön
Der Roman setzt sich zusammen aus authentischen Verhörprotokollen, Aussagen von Zeugen und der fiktiven Geschichte um Katharina Hertl, dem letzten Opfer des Serientäters. Es wird
allerdings nie ganz klar - auch im Nachwort nicht - welche Teile erfunden und welche echt sind. Zudem ist die Chronologie etwas durcheinander geraten, was die Spannung allerdings erhöht.
Gar zu seltsam hört sich aber die Art und Weise an, in der die Leute im Buch sprechen: "Beweisen Sie mir das, das müssen Sie mir erst einmal beweisen. Ja, beweisen müssen Sie
mir das erst einmal. Zeigen Sie mir doch ihre Beweise." Und so geht das in einem fort, bis man für jede Wiederholung eines Satzes oder einer Tatsache erst die betreffende Person, dann
die Autorin schlagen möchte. Man hätte das ohnehin schon kurze Buch um ein gutes Drittel kappen können, wenn man nur diese Endlosschleifen weggelassen hätte. Na gut, das
ist jetzt übertrieben, aber der Stil ging mir furchtbar auf dem Geist. Dazu noch diese Satzstellung ("Vermisst ist sie. Nicht heimgekommen in der Nacht vom Samstag auf Sonntag. Ganz
verzweifelt sind sie schon, ihre Eltern. Gesucht habens schon überall.") - ein wahrer Graus, als würde man ständig mit Yoda aus Star Wars reden. Der Stil, der mir bei
"Tannöd" noch originell vorkam, da er nah am Leben schien, hat mich hier die Haare raufen lassen. Gleichzeitig vermag Schenkel es, mir wenigen Worten eine Szene so zu beschreiben,
dass sie vor dem inneren Auge des Lesers Gestalt annimmt. Leider macht sie sich selten die Mühe.
Was ist dann der Grund dafür, dass ich das Buch zu Ende gebracht habe? Im Nachhinein kommt mir der Gedanke, dass ein beträchtlicher Teil Voyeurismus eine Rolle gespielt hat.
Lange hält die Autorin damit hinterm Berg, was tatsächlich geschehen ist und die Protagonisten steuern unvermeidlich auf die Katastrophe zu. Doch während es mir deshalb bei
"Tannöd" kalt den Rücken hinunterlief, wirken die Morde in "Kalteis" überzogen, obwohl sie ebenfalls der Wahrheit entsprechen. Irgendwie erwartet man aber, dass man mehr
Details erfährt, eine Erklärung vorgelegt wird. Vielleicht, weil man die Verbrechen besser verarbeiten könnte, würde man sie wenigstens ansatzweise verstehen. Doch
Schenkel kommentiert nichts und bietet dem Leser nicht die ersehnte Rache, sondern lässt einen mit dem unguten Gefühl zurück, sich mit den Tragödien anderer Menschen
die Zeit vertrieben zu haben.
Positiv anzumerken wäre die Tatsache, dass die Autorin auf das klassische Ermittlergenie verzichtet. Man gewinnt sogar den Eindruck, die Polizei würde
überhaupt nichts unternehmen. Die Gesetzeshüter werden lediglich am Rande erwähnt, treten aber nie persönlich in Erscheinung. Daher fehlte ein Teil des Puzzles, da auch
Zeitungsartikel fehlen und wenige Fakten über die damaligen Ereignisse dargelegt werden. Die meiste Zeit begleitet man Käthe bei ihren Versuchen, in der Stadt Fuß zu fassen: Sie
erbettelt sich Schlafmöglichkeiten bei Freunden und Verwandten, schlägt eine mögliche Anstellung als Dienstmädchen aus, da sie nicht arbeiten, sondern nur reich sein will
und lässt sich gegen ein geringes Entgelt mit allerlei Mannsbildern ein. Ich hätte mehr positive Gefühle für die Protagonistin in mir gefunden, wenn sie normaler,
vernünftiger gewesen wäre. So fand ich ihre Begleitung sehr ermüdend und ich fand es schade, dass Schenkel für den fiktiven Teil die Gelegenheit hat verstreichen lassen,
die Geschichte persönlicher und damit dramatischer zu gestalten. Man darf gespannt sein, ob es die Autorin in ihrem nächsten Werk wagt, noch einen Schritt weiter zu gehen und die
Handlung selbständiger zu gestalten oder ob sie wieder nach dem Schema ihres Erstlings vorgeht. (August 2008)