Inhalt
Im Dorf sind sie nicht gerne gesehen, die Danners, da sie mürrische, unnahbare Leute sind, die sehr abgeschieden
leben. Im Gottesdienst am Sonntag wundert man sich zwar, dass die gesamte Familie sich entgegen ihrer Gewohnheit nicht blicken lässt, fragt aber nicht weiter nach. Der Postbote bemerkt das brüllende Vieh auf dem Hof der
Danners, das diesen Morgen nicht gemolken wurde und der Hund scheint sich heiser gebellt zu haben...
Rezension
Man kann diesem Roman zu Recht einiges vorwerfen, wie etwa die kargen, lieblos aneinandergestoppelten Sätze,
welche nur das Nötigste wiedergeben. Vieles wiederholt sich gar und das bei der Kürze von 125 Seiten. Das treffe
zwar durchaus zu, mögen die begeisterten Leser anmerken, doch setze sich die Geschichte vornehmlich aus
mündlichen Berichten der Dorfbewohner zusammen und das gesprochene Wort sei auf die vorliegende Art sehr
gut eingefangen worden. Mal erzählt die Schwester der neuen Magd der Danners, dann der Pfarrer, der Bürgermeister
und etliche mehr, sowie ein nicht näher benannter Fremder, der lediglich einen Sommer in dem Dorf verbracht
haben soll, von ihren oder seinen Eindrücken und Erlebnissen. So wird Stück für Stück das Puzzle um den wahren
Kriminalfall zusammengesetzt. Dabei entsteht ein Sog, dem ich mich trotz des ärgerlich plumpen Schreibstils – so
werden ganze Seiten von Gebeten eingenommen und strecken das Buch damit künstlich – bald nicht mehr
entziehen konnte. Eventuell las ich einfach deshalb immer weiter, weil es so leicht fiel, weil kein komplizierter
Satz, kein komplexer Gedankengang den Fluss störte. Ich wollte wissen, wie die Danners enden würden und wer
für die Tat warum in Frage kam. Ob die beschriebenen Ereignisse gänzlich auf Tatsachen beruhen, wurde für mich
nebensächlich. Was allein zählte war die heraufbeschworene Atmosphäre, sehr düster und bar jeder Hoffnung.
So ließ mich dieser Roman in gedrückter Stimmung zurück, da ich mir vorstellen musste, dass in den 50er Jahren
wirklich jemand eine komplette Familie ausgelöscht hat und mich allein der Tod der beiden Kinder mehr berührte als
die Berge an Leichen in vielen heutigen Krimis und Thrillern. Ich würde mich sicher nicht dazu versteigen, „Tannöd“
als „ein Meisterwerk, ein Geniestück“ (Deutschlandfunk) zu bezeichnen, aber es hielt mich trotz all seiner
offensichtlichen Mängel bis zum Schluss gefangen. Schenkel hat sich dabei so sehr zurückgenommen, dass fast nur
noch das Gerippe eines Romans übrig bleibt, sich die Lektüre auf bloße Fakten zu beschränken scheint, diese
aber wahren Schrecken hervorrufen. Kann es ein größeres Kompliment für einen Autoren geben, als dass er den
Leser nicht unberührt lässt? (März 2008)