Inhalt
Im Jahre 1865 entgeht der weltberühmte Schriftsteller Charles Dickens nur knapp dem Tode. Sein Zug war bei Staplehurst entgleist und eine unheimliche Gestalt, die sich Drood nannte, hatte sich um die Schwerverletzten gekümmert. Kurz darauf waren diese tot und Dickens besessen von der Idee, diesen Drood wiederzufinden. Dickens Kollege Wilkie Collins, ebenfalls ein bekannter Autor, findet sich unweigerlich in einen Fall verwickelt, der ihn in die Unterwelt Londons führen wird, in Opiumhöhlen, zu Banden verlotterter Kinder und zu der Schreckgestalt, die mehr Mysterium denn Fakt zu sein scheint...
Rezension
Das hört sich doch gut an, zumal historische Persönlichkeiten als Protagonisten fungieren, die auch heutzutage noch bekannt sind. Von Charles Dickens, der Klassiker wie "Oliver Twist", "Große Erwartungen" und "A Christmas Carol" verfasst hat, wird wohl jeder schon mal gehört haben. Wilkie Collins dagegen dürften nur wenige kennen und auch ich war überrascht, sein erfolgreichstes Werk in unserer hiesigen Bücherei zu finden: "Die Frau in Weiß". Allerdings hat selbiges denselben Umfang wie "Drood" und von dicken Wälzern habe ich vorerst die Nase voll. Denn Simmons Roman, so fasziniert ich am Anfang war, hat mich schon nach kurzer Zeit zum Einschlafen gebracht.
Was "Drood" vor allem vermissen lässt sind Handlung und ein gewisses Maß an liebenswerten Zügen seitens der Protagonisten, die mir zunehmend unsympathischer wurden. Dabei versteht der Autor es doch so vorzüglich, eine mysteriöse Atmosphäre zu schaffen und den Leser in eine Welt eintauchen zu lassen, die von Gaslaternen nur unzureichend erhellt wird, voller dunkler Ecken und finsterer Gestalten. Inmitten Londons ein Staat im Staat, in der Verbrecher sich ihr eigenes Gesetz schaffen und Wilkie immer mehr in seiner Opiumsucht versinkt. Was hätte man an diesem Ort für Geschichten finden können! Stattdessen begleitet man den Ich-Erzähler Wilkie in der Gegenwart, um - kaum an einem spannenden Punkt angelangt - in die Vergangenheit gestoßen zu werden und damit zu Ereignissen, die zumindest in mir sehr oft und später immer häufiger, keinerlei Interesse geweckt haben. Der Protagonist ergeht sich in Beschreibungen über Treffen mit Dickens, seine persönlichen Verhältnisse und seine wachsende Missgunst seinem Freund und Kollegen gegenüber, dem soviel mehr an Bedeutung zugemessen und Hochachtung zuteil wird als dem ebenso erfolgreichen Wilkie.
Zu meinem allergrößten Bedauern kann ich den vorliegenden Roman nur besonders geduldigen Lesern empfehlen. Wie bereits erwähnt baut Dan Simmons eine wunderbar altmodische Atmosphäre auf, lockt mit einem geheimnisvollen Fremden und hat ein paar ungemein gruselige Szenen in petto, die ich nie vergessen werde. Leider füllt er die Seiten mit anfangs interessanten historischen Fakten über die Schriftsteller Dickens und Wilkie, gerät dann vom Hundertsten ins Tausendste und lässt die beiden Protagonisten über die richtige Formulierung und den passenden Titel für ihr nächstes Buch schwadronieren. Des Geplänkels überdrüssig, begann ich ganze Passagen zu überspringen, um nach der Hälfte vollends die Waffen zu strecken. Ich werde "Drood" sicher nie wieder zur Hand nehmen. (Mai 2010)
Schon gewusst?
Dan Simmons hat viele Jahre als Grundschullehrer gearbeitet, bevor er 1987 zum Vollzeitschriftsteller wurde.