Inhalt
Eigentlich wollte der Notargehilfe Jonathan Harker nur einen Grundstückskauf unter Dach und Fach bringen, doch
er findet sich bald als Gefangener des unheimlichen Graf Dracula in Transsylvanien wieder. Wölfe streichen um
das Schloss, alle Türen sind abgesperrt. Doch Harker muss dringend zurück, da seine Verlobte Mina auf ihn wartet
und sich der Graf Richtung London aufgemacht hat, den jungen Mann dem Sterben überlassend...
Rezension
Mehr brauche ich ja nicht zu erzählen, das alles hat man so oder in ähnlicher Form schon ein Dutzend mal
gesehen. Dennoch wollte ich mir mal das Original gönnen und war überrascht zu lesen, Dracula hätte einen
Schnurbart und ein grausames Antlitz, obwohl er doch in den modernen Varianten immer als der Verführer
dargestellt wird. Einmal Gebissene kann er zwar herbeirufen, aber das hat eher mit Macht zu tun.
Aufgebaut ist der Roman aus Briefen, Tagebucheintragungen und ein paar Zeitungsartikeln. Dadurch bleiben
allerdings die Beschreibungen der Personen und der Umgebung ziemlich mager, man kennt von vielen nicht einmal
deren Aussehen und sie bleiben ziemlich platt und klischeehaft. Frauen sind aufgrund des Alters dieses Romans
sowieso nicht tonangebend (S. 261: "Ah, dann haben Sie sicher ein gutes Gedächtnis für Tatsachen, für Details?
Das ist durchaus nicht die Regel bei einer jungen Frau."Tolles Kompliment, oder?). Dazu ist es völlig unmöglich, dass
vier Bluttransfusionen so glatt vonstatten gehen - dann müssten besagte Herren die gleiche Bluttgruppe bzw. den
gleichen Rhesusfaktor aufweisen und das scheint mir seeehr unwahrscheinlich. Anscheinend wusste man zu
dieser Zeit noch nicht, dass es nicht gerade gesund ist, wenn man die falsche erwischt.
Außerdem geschehen viel zu viele Zufälle, so dass die Handlung sehr konstruiert wirkt. Die Verlobte des Notars
ist die beste Freundin von Lucy, die ständig von Dracula angezapft wird. Deren Verehrer Dr. Seward arbeitet
genau neben der neuen Hütte Draculas. Sein Patient ist zufälligerweise Anhänger des Grafen. Und Urlaub machen
sie genau da, wo das Schiff aus Russland anlegt... Das könnte man eine Weile so weiterführen, aber dann würde
diese Rezension genauso langweilig wie das Buch. Es hat schon seine ganz spannenden Passagen, aber die
meiste Zeit wird über Nichtigkeiten gelabert und auch ewig um den heißen Brei geredet, vor allem von Van Helsing.
Damals mag der Roman den Leuten noch Angst gemacht haben, aber heutzutage wirkt das ganze beinahe
beschaulich. Wenn es schon so wenig bei der Lektüre zu gruseln gibt, hätte sich der Autor wenigstens um die
Protagonisten kümmern können, die man aber nur flüchtig kennenlernt. Ich hatte mir mehr erhofft.