Autor

Rötzer, Florian

Titel

Virtuelle Welten - reale Gewalt

Originaltitel

Rogue States. The Rule of Force in World Affairs

Genre

Sachbuch

Seiten

185

Erscheinungsjahr

2003

Auszeichnungen

Verfilmungen

Verlag

Heinz Heise

Wertung

Inhalt

Mit Hilfe von Beiträgen von Co-Autoren, die aus den verschiedensten Fachrichtungen kommen, wie z.B. Pädagogik, Journalistik, Psychologie oder Rechtswissenschaft, bietet das Buch einen Beitrag zu der seit den jüngsten Amokläufen schwelenden Kontroverse über Medien und Gewalt. Allen gemein ist die klare Aussage, dass lineare Zusammenhänge nicht exisitieren und statt des vielfach und unreflektiert geforderten, pauschalen Verbotes von Computerspielen eine Aufklärung der Eltern nötig sei. Wichtig sei dabei nicht nur, was das Kind spiele, sondern vor allem warum. Das Beispiel der Beinahe-Indizierung von Counterstrike und Kriterien für Altersfreigaben werden angeführt, während auch die Rolle der Spieler nicht vergessen und klargestellt wird, warum sie sich zu diesem Medium hingezogen fühlen (etwa der sportliche Aspekt des Wettkampfes, dessen Ziel nicht das Töten, sondern der Sieg über die andern ist)...

Rezension

Leider tragen diese Kommentare zu nennenden Beiträge nicht viel Neues zu der aktuellen Debatte bei. Ich hatte eher auf Studien gehofft und weniger auf solch subjektive Ansichten, die sich schlecht belegen lassen. Geradezu naiv erscheint die Umfrage unter Spielern von Manuel Ladas, aus der er schließt, dass Spiele zumeist keine Auswirkungen hätten: "So stellte nur ein sehr kleiner Teil der Befragten bei sich selbst längerfristig Wirkungen fest, die über ein Nachdenken oder Unterhalten über die Spiele hinausgehen. Besonders die Übernahme von Spielhandlungen in die Realität wurde von den meisten Spielern deutlich verneint. Ein ungefilterter Transfer von Handlungs-Skripten auf das reale Verhalten wäre also eher ein Folge psychischer Störungen einzelner Individuen als ein direkter Effekt der Spielnutzung im Allgemeinen." Ich würde auch nie zugeben, dass Doom 3 mich aggressiv macht, wenn es denn so wäre. Das Problem ist ja, dass die Inhalte, die die Medien transportieren oft nicht so wirken, dass es uns bewusst wäre und v.a. bei Kindern kann man die Fähigkeit zur Selbstreflektion nicht so ohne weiteres voraussetzen. Ist Ladas somit gegen ein Verbot oder eine Einschränkung? Man erfährt es nicht. Sehr interessant dagegen (vom selben Autor übrigens) die Meinung, das Problem der Empathie mit "Opfern" in Spielen stelle sich gar nicht, da die Figuren nur funktional gesehen würden und es somit keine Opfer gebe, mit denen man Mitleid haben müsste.
Daneben gibt es Versuche, das Aufkommen von Amokläufen zu erklären und Merkmale der Täter zu beschreiben. Es gab auch einige Kapitel, die nicht so ganz gepasst haben, wie ich finde. Etwa das über Foren für Selbstmörder oder die Beschreibung des Asperger-Syndroms.
Alles in allem gab es daher nur wenige Beiträge, die mich wirklich interessiert haben, die zwar nichts Neues hinzuzufügen hatten, aber dennoch einen kleinen Überblick über diese Debatte zu geben vermögen. Was aber fehlte war ein Verfechter der anderen Seite, also ein Gegner von Shootern und Ähnlichem. Es gibt darunter sicher nicht nur die erwähnten Politiker, die schnelle Ergebnisse sehen und zeigen wollen, sondern auch nachvollziehbar argumentierende Fachleute, die das Bild differenzierter gemacht und gezeigt hätten, dass es nicht nur hysterische Verbotsbefürworter gibt.
Typisch für Bücher über Computerspiele - derer ich inzwischen einige gelesen habe - und wie ich am Schluss noch anmerken möchte, ist, dass sie, wie hier im ersten Kapitel wirklich üble Programme als Beispiele anbringen, die keiner kennt und deren weite Verbreitung bezweifelt werden kann (z.B. Kaboom oder Ethnic Cleansing). Wobei ich natürlich zugeben muss, dass es über Schulhöfe seinen Weg zu Einigen finden mag.
Übrigens heißt das Game nicht "Alarmstufe Rot 2", sondern "Command & Conquer 2 - Alarmstufe Rot". Es kann doch nicht so schwer sein, einen versierten Spieler zu finden, der die Sachbücher mal Korrektur liest. Solche Fehler sprechen nicht für eine saubere Recherche. Wie kann ich dann sicher sein, dass die Fakten über die Spiele stimmen, von denen ich noch nichts gehört habe? Nun ja, Titel sind ja nicht so wichtig.
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