Inhalt
Auf einer Zugfahrt nach St. Petersburg lernen sich der Fürst Lew Nikolajewitsch Myschkin und Parfen
Semjonowitsch Rogoschin kennen. Der Fürst war lange Zeit im Ausland, genauer gesagt in einem
Sanatorium in der Schweiz, und wurde dort wegen seiner Epilepsie behandelt, damals auch Idiotie
genannt. Rogoschin erzählt ihm im Gegenzug von seiner Leidenschaft für eine gewisse Dame, Nastasja
Filippowna Baraschkowa, für die auch der Fürst bald in heißer Liebe entbrennt...
Rezension
Man sieht schon, das ganze wird tragisch enden. Zwischenzeitlich gibt es viel Emotion, überschwängliche
Beteuerungen, Intrigen, Auseinandersetzungen und Versöhnungen. Hört sich irgendwie
nach der Zeit von Sturm und Drang an; wenn hier etwas gemacht oder gefühlt oder gesagt wird, dann
aus vollster Seele. Jedenfalls kommt es einem so vor und im nachhinein stellt sich einiges als falsch und
gespielt heraus. Das ist einer der Gründe, warum die Geschichte so fesselt, obwohl doch eigentlich nicht
viel passiert. Hier herrschen Dialoge vor zwischen wunderbar dreidimensionalen Charakteren - soviel
Mühe gibt sich heutzutage kaum ein Autor mehr. Zudem waren diese Personen sehr ambivalent, wie
auch die Beziehung, die man zu ihnen entwickelt. Mal erscheinen sie hochmütig und gemein, doch wenn
sie einen kurzen Blick hinter diese Fassade gewähren, empfindet man Mitleid und zuweilen sogar
Sympathie. Dann fallen sie jedoch wieder in ihre alten Muster zurück und das Spiel beginnt von neuem.
Einzig der Fürst ist eine Art Konstante, so schien mir, da er konsequent seinen Neigungen folgt und
unverfälscht agiert. Das bringt ihm den Hohn der edlen Gesellschaft ein, sie schimpft ihn einen Idioten -
wobei ich das Gefühl hatte, dass sie ihn eher beneiden, da sie meinen, sich verstellen zu müssen, es
aber nicht immer durchhalten können. Der Fürst dagegen kann sich so geben, wie er ist und sein Leben
ist um soviel ehrlicher, wenn auch nicht einfacher. In seiner Naivität und Vertrauensseligkeit treiben die
Herrschaften ihr Spiel mit ihm und machen nicht nur sich dabei unglücklich.
Was mich verwirrt hat war dieses "Wer liebt jetzt eigentlich wen"-Spiel. Da fand ich auch des Fürsten
Verhalten enervierend schwach und ich hätte ihn am liebsten geschüttelt. In diesen Augenblicken kam mir
seine Freundlichkeit wie ein Fluch vor. ( Wichtig fand ich die Geschichte vom armen Ritter S. 327/33.)