Autor | Miéville, China (*1972) |
Titel | I: Die Falter II: Der Weber |
Originaltitel | Perdido Street Station |
Genre | Science Fiction / Fantasy |
Seiten | 623 |
Erscheinungsjahr | 2000 |
Auszeichnungen | Arthur C. Clarke Award (2001) Kurd-Lasswitz-Preis (2003) |
Verfilmungen | |
Verlag | Del Rey Books (Teil v. Random House) |
Wertung | |
Inhalt
Die Khepri Lin und der dickliche Wissenschaftler Isaac Dan der Grimnebulin sind ein ungleiches Paar. Ein käferähnliches Wesen und ein Mensch – das wird trotz der Artenvielfalt in New Crobuzon nicht gern gesehen und so halten die beiden ihre Beziehung geheim. Ebenfalls geheim ist der neue Auftraggeber Lins, der eine Skulptur seiner Selbst erschaffen haben will. Derweil ist Isaac damit beschäftigt, eine Crisis Engine zu konstruieren, die den Garuda Yagharek wieder zum Fliegen verhelfen soll. Eines von Isaacs Anschauungsobjekten jedoch, eine bunt schillernde Raupe, verpuppt sich zu einem gar nicht mehr so schönen Wesen...
Rezension
Und das Schöne dabei ist, dass man als Leser zunächst keine Ahnung hat, wohin die Reise mit Isaac und co. gehen soll. Das wird erst ab etwa 200 Seiten klar, doch bis dahin führt Miéville erst einmal drei unterschiedliche Erzählrichtungen ein, die allesamt interessant zu werden versprachen. Sie bergen alle ein gewisses Gefühl der Bedrohung in sich und füllen das Handeln der Protagonisten mit Leben. Ebenfalls sehr düster und voller versteckter Gefahren ist die Großstadt New Crobuzon; ein finsterer Moloch, in dem allerlei zwielichtiges Gesindel sein Unwesen treibt. Sehr plastisch, wortreich und mit großer Stilsicherheit beschreibt Miéville diese Düsternis, um Längen besser und anspruchsvoller, als man es bei einem Science Fiction gewohnt ist. Das machte die englische Lektüre nicht gerade leicht; es gab sogar Sätze, in denen ich jedes zweite Wort hätte nachschlagen müssen (wenn ich nicht zu faul dafür gewesen wäre).
Doch unter anderem aus diesem Grund hat mich „Perdido Street Station“ so begeistert. Das Niveau hoher Literatur, gepaart mit Elementen der Science Fiction und Fantasy, in einer Welt spielend, die der unsrigen so stark gleicht, dass man sich sofort in ihr zurecht findet – fantastisch und wunderbar erwachsen. Was ich damit meine? New Crobuzon könnte aus einer Gangsterballade wie „Good Fellas“ oder „Bube, Dame, König, GrAS“ stammen. Die Stadt ist brutal, man hält zusammen und hintergeht sich, Ausbrüche roher Gewalt wechseln sich ab mit Momenten der Zärtlichkeit und Freundschaft. Das hört sich jetzt kitschig an, aber wer gelesen hat, wie stark die Liebe zwischen einem Käfer und einem Menschen sein kann oder welche Opfer Isaac und seine Mitstreiter bringen müssen, um als (vermeintliche) Sieger hervorzugehen, wird verstehen, was ich ausdrücken will. Ich persönlich würde das Buch daher erst ab 14 freigeben – was für Filme und Computerspiele gilt, sollte bei Romanen ebenfalls eingeführt werden.
Seltsam, wie viele Worte man findet, wenn einem etwas nicht gefällt und wie schlecht man sich auszudrücken weiß, wenn man von etwas begeistert ist. Bleibt abschließend wohl nur zu sagen, dass ich „Perdido Street Station“ regelrecht verschlungen habe. Ich bin völlig platt von der sprachlichen Gewandtheit des Autors, benebelt von der Aussicht, noch mehr von ihm lesen zu können, mich von Szenen mitreißen zu lassen, die ich nie vergessen werde, da sie solch starke Emotionen in mir auslösten, wie kaum ein anderes Buch zuvor. Ich empfand Mitleid mit den Jägern, trauerte um die Opfer, bewunderte den Mut der Leute, die für ihre Überzeugungen litten und starben. Wie sagt man doch so schön dazu? Dies ist eine beeindruckende „tour de force“. Absolut empfehlenswert, wenn man sich darauf einlässt, da sich der Autor vor allem am Anfang Zeit für seine Figuren nimmt, bevor es so richtig zur Sache geht. Dann packt es einen aber richtig. Miéville hat aber auch wirklich ausgefallene Ideen, was die auftretenden Lebensformen angeht (ich sag nur Cactacae) und er lässt seine Geschichte nicht in einer fernen Zukunft spielen, sondern einer ganz anderen Welt, die trotzdem nostalgisch wirkt mit Waffen, die mit Pulver geladen werden oder den Gaslaternen. Dadurch hat der Roman einen gewissen altmodischen Charme, der wie bereits erwähnt immer wieder durchbrochen wird von Akten äußerster Brutalität. Faszinierend, düster, überraschend, spitze.
Meine Taschenbuchausgabe war ausgestattet mit einer Karte von ganz New Crobuzon, dessen Straßen und Viertel des öfteren Erwähnung finden. Miéville hat sich da viel Mühe gemacht. Weniger gelungen ist der Druck, der mal fast über den Rand hinausgeht, dann wieder so weit nach innen gerückt ist, dass man den Rücken des Buches brechen muss, um lesen zu können.
Schon gewusst?
"Perdido Street Station" ist für den deutschen Markt in zwei Bände geteilt worden: "Die Falter" und "Der Weber".