Inhalt
In Paris Montparnasse hat sich der ehemalige Seemann Joss Le Guern als Ausrufer bereits eine
Stammkundschaft aufgebaut. Jeden Tag dreimal steht er zu bestimmten Zeiten auf einem Podest und
verkündet die Nachrichten. Über eine "Urne", die an einem Baum hängt, haben die Menschen die
Möglichkeit, ihre eigenen Anzeigen, auch anonym, ausrufen zu lassen, gegen Vorkasse natürlich. Doch
seit einiger Zeit erreichen Joss rätselhafte Botschaften - da der Unbekannte sehr gut zahlt, liest er sie
vor. Bald beginnen diese Texte, bedrohlich zu klingen und Decambrais, ein ehemaliger Lehrer und
Stammkunde, versucht, sie zu entschlüsseln. Zeitgleich tauchen seltsame Zahlen auf den Türen
mancher Wohnhäuser auf...
Rezension
Man befindet sich sogleich mittendrin in den Gedanken von Joss, die beinahe philosophisch anmuten,
was immer mal wieder im Buch auftaucht, aus den Blickwinkeln verschiedener Personen. Das hebt den
Roman ab von der Vielzahl an pseudo-psychologischen Krimis, mit denen wir zur Zeit überhäuft werden.
Der Autorin kauft man ihre Charaktere ab, sie sind sehr gut gezeichnet und manche werden regelrecht
zu Kumpeln. Dazu tragen auch ihre trockenen Kommentare bei, bei denen man den Leuten gerne
lachend auf die Schulter klopfen würde. Das ist noch ein erfrischender Unterschied zu den schwermütigen
Skandinaviern mit ihren schablonenhaften, völlig uninteressanten betrübten Gehabe. Das ist
hier nicht so, ich war bei den Passagen über das Privatleben der Protagonisten mindestens genauso
gespannt wie bei dem Mordfall. Bis zum Schluss schafft es Vargas, die Leser im Dunkeln tappen und
zappeln zu lassen - ich hing auf jeden Fall am Haken! Immer mehr von der Wahrheit wird enthüllt und
auch wenn die Auflösung etwas seltsam anmutet, hinterlässt sie dennoch keinen schalen Geschmack
wie das bei manchen Krimis der Fall ist. Das wichtigste ist doch, dass das Böse eingedämmt werden
konnte und man endlich wieder einen richtig guten Krimi lesen durfte!